Schülerzeitung LEHRZEICHEN schreibt: Nachhaltig oder wirtschaftlich profitabel?
Die Taxonomie Verordnung als Spiegel der Gesellschaft
Wir befinden uns in einer globalen Klimakrise. Lange Zeit wurde nichts dagegen unternommen. Sei es aus Unterschätzung der Auswirkungen oder schlichter Naivität. Es hieß, dass besonders Politiker Initiative ergreifen und sowohl Nachhaltigkeit als auch Umweltfreundlichkeit unterstützen sollen. Nach langen Jahren des Grübelns der EU-Kommission über einen Lösungsansatz, wurde dieser wohl endlich gefunden: Die Taxonomie-Verordnung.
Durch die 31 Seiten lange Verordnung solle der Klimaschutz in Europa, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung gefördert werden. Entgegen den vermeintlichen Erwartungen der EU-Kommission brechen Klimaaktivisten dennoch nicht in Jubeln aus. Warum eigentlich?
Grund dafür ist eine Änderung in Bezug auf Energiegewinnung, die die Verordnung vorsieht: Kernenergie und Erdgas seien zukünftig als nachhaltig einzustufen. Hört sich wie ein schlechter Witz an? Ist es auch.
Atomenergie wird seit Jahrzehnten als weltweiter Energielieferant genutzt. Neben der Energie, die durch Kernspaltung von Atomen freigesetzt wird, entsteht auch radioaktive Strahlung, die immense Auswirkungen auf Menschen und Natur hat. Die aus diesen Brennelementen entstehenden Abfälle werden in sogenannten Endlagern gesichert und müssten in diesen für 1 Millionen Jahren gelagert werden, um die Radioaktivität natürlicher Uran Vorkommen zu erreichen.
Erdgas wird hingegen durch Bohrungen gewonnen. Durch die Methode des „Fracking“ zur Gewinnung des fossilen Brennstoffes wird einerseits weitaus mehr Methan freigesetzt, andererseits werden Chemikalien angewandt, die die Umwelt und das Grundwasser schädigen. Das im Erdgas vorhandene Methan trägt in großer Konzentration stark zu dem Klimawandel auf der Erde bei. Zudem reichen die weltweit nachgewiesenen Erdgasreserven laut BUND lediglich für weitere 64 Jahre. Was die Nutzung von beschränkt verfügbarem Erdgas nun mit Nachhaltigkeit zu tun hat ist fraglich. Laut der Definition des Duden, beschriebt Nachhaltigkeit das „Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann“. Blöd nur, dass die Entstehungsgeschichte von Erdgas 600 Millionen Jahre zurückreicht. Inwiefern ist die Nutzung von Erdgas und Kernenergie also nachhaltig?
Nachhaltigkeit und Atomkraftwerke, die durch Kernenergie Strom erzeugen, sind besonders wegen den Nachteilen der Atomkraftwerke nicht miteinander vereinbar. Die berühmtesten Beispiele: Tschernobyl und Fukushima. In Tschernobyl explodierte 1986 ein Reaktor, woraufhin giftige Dämpfe die Umwelt und tausende Menschen vergifteten. Die Kernschmelze in Fukushima wurde 2011 durch einen Tsunami und Erdbeben ausgelöst. Aus dem Unglück resultierten Millionen Tonnen radioaktives Wasser, die heute noch in Tanks gelagert werden müssen. Für die EU-Kommission müsste es also auch offensichtlich gewesen sein, dass Vergiftung der Umwelt und Schutz der Umwelt keine Synonyme sind.
Ein weiterer Kritikpunkt vieler Klimaaktivisten ist das immer noch ungelöste Problem der Endlager. Um den genauen Ort von Endlagern gibt es immer wieder Diskussionen, da niemand neben einer Ablage für radioaktiven Müll leben möchte. Dieses Resultat ist aber unumgänglich und muss früher oder später gebaut werden. Es werden also Milliarden Euro ausgegeben, um ein Endlager zu bauen, in dem radioaktiver Müll gelagert werden soll, der wegen der Betreibung von Atomkraftwerken entstanden ist, um günstigen Strom zu erhalten? Hört sich gut an.
Zum Glück sieht die neue Bundesregierung das etwas grüner und lehnt das Öko-Siegel für Atomkraft ab. Zumindest bis ca. 2086, denn dann sind die nachgewiesenen Erdgasreserven verbraucht. Die Bundesregierung bezieht sich bei ihrer Entscheidung außerdem darauf, dass die Nutzung von Erdgas dazu beitragen soll, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Logischer Gedankengang, da Cola auch gesund ist, bis ich anfange, mich gesünder zu ernähren.
Neben der Verschmutzung von Umwelt und Grundwasser durch die Chemikaliennutzung des Frackings ist besonders die Nutzung der wenigen Reserven von Erdgas alles andere als nachhaltig. Bei der momentanen Nutzung von Erdgas wird weitaus mehr beansprucht, als zukünftig bereitgestellt werden kann. Die Grundidee wurde hierbei auch von der Seite der deutschen Regierung klar verfehlt.
Anstatt sich auf begrenzte Reserven zu stützen, könnten neue Verfahren gefördert werden. Beispielsweise Biogas. Für die Herstellung werden nachwachsende Rohstoffe und Abfälle verwendet, was die Verwendung von Biogas tatsächlich nachhaltig macht. Allerdings kostet Biogas bei einem Bezug von 10.000 Kilowattstunden ca. 500 Euro mehr als Erdgas.
Genau hier wird das Manko der Verordnung klar. Es scheint nicht darum zu gehen, welcher Energielieferant nachhaltiger ist, sondern welcher günstiger ist.
Die Taxonomie-Verordnung ist nur eines vieler Beispiele, die aufzeigen, wie sehr der Kapitalismus und Drang nach Reichtum unsere Gesellschaft beeinflussen. Es gibt keine Grenze, nicht mal die Erhaltung unserer Existenz. Politiker müssten aus dem Traum der Lobbyisten aufwachen, sozial denken und aufhören nach dem Ziel eines jeden Kapitalisten zu leben. In dieser perfekten Welt würden keine fossilen Brennstoffe, sondern nachhaltige Brennstoffe gefördert werden. Frankreich hätte dem Bau von 5 weiteren Atomkraftwerken nicht bereits zugestimmt.
In einer unperfekten Welt, fängt Veränderung aber mit kleinen Schritten an. Deswegen liegt der Fehler nicht nur bei der EU-Kommission, sondern bei denen, die nichts dagegen tun, die tatenlos wegsehen. Es bedarf nicht nur einer Änderung des Denkens der Politiker, um auf Probleme der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Sobald wir die Aufmerksamkeit auf die Probleme unserer Gesellschaft lenken, Lösungen ansprechen und Kritik üben, fängt Veränderung an. Das bewusste Hinsehen und Handeln sollten das Ziel sein.
Denn „Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen“ – Albert Einstein.