• Spanier1
Zwar wohne ich hier nicht in einem Loch wie eine Ratte, aber es ist auch nicht alles erreichbar.

Ich legte nun das Telefon für einige Augenblicke beiseite, um diesen Satz aufzuschreiben, denn es kam mir vor, als wäre er der perfekte Einstieg für meinen nächsten Artikel. Wieder an der Leitung begegnete mir die aufgewühlte Stimme meiner Freundin, und während sie unsere prekäre Lage als baldige Gastfamilien darstellte, schweifte ich in Erinnerungen. Mit San Sebastián verbinde ich das Waschen der von Vanilleeis klebrigen Hände im schäumenden Ozean, Lachen über Wörter, deren eigentliche Aussprache ich gänzlich verfehlte, sowie nächtliches Picknicken am Strand. Das zu toppen sah geradezu unmöglich aus. Doch was blieb uns anderes übrig, als es zumindest zu versuchen? [...]

Am Montag, dem 3. Juni, also dem ersten Tag nach den Ferien, kamen unsere Gäste aus Spanien mit etwas Verspätung an der Remise an. Beinahe acht Monate war es her, dass wir uns gesehen haben, sodass bereits auf dem Weg nach Hause eifrig versucht wurde, sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Derweil staunten einige über die grünen, aber zugegebenermaßen auch etwas leeren Landschaften vom Allgäu, deren Kontrast zu der kleinen, lebendigen Stadt in ihrer Heimat kaum größer sein könnte. Dass bei uns sehr wohl etwas los ist, sollten die nächsten Tage zeigen. Davor aber musste der erste Kulturschock verarbeitet werden, denn daheim angekommen war es nicht etwa Zeit für eine Siesta, sondern bereits um 18 Uhr für das Abendessen voller deutscher Gerichte und Getränke.

Die Zeit verging zwischen den Trampolineinheiten, Unterrichtsbesuchen und Spaziergängen mit der Familie wie im Flug. So befanden wir uns drei Tage später alle etwas unbeholfen und müde, aber auch voller Vorfreude im Bus bereit für die anstehende Wanderung am Hochgrat. Diese startete etwas später, zumal einer Schülerin noch das Handy von ihren Klassenkameraden vorbeigebracht werden musste. (An dieser Stelle ein riesengroßes Sorry!) Die Fahrt in den Bussen und im Zug war gekennzeichnet durch Quetschen mit dem Gepäck und darauffolgende Lachanfälle sowie das Kopfschütteln restlicher Passagiere als würden sie sagen wollen: ach, diese Jugend. In der Talstation verstummten die meisten, denn das Gehen beanspruchte mehr Energie als gedacht. Während uns die Sonne gnadenlos mit ihren Strahlen den Rücken peitschte, dachte man an jene, die gerade im Klassenzimmer saßen, zwar in einer Mathestunde, aber sogar die erschien in dem Moment das kleinere Übel zu sein. Oben in der Hütte freute man sich über das leckere Essen oder einfach über die Tatsache, dass man immer noch lebt, und auch die warme Dusche, bis einem klar wurde, dass jede Minute einen Euro kostet. Und wer hat beim Packen schon an das Kleingeld gedacht? Den Abend ließen wir stinkend mit Gesellschaftsspielen auf Englisch ausklingen und begaben uns vorbildlich bereits nach der zweiten Ermahnung seitens der Lehrer in unsere Schlafsäcke. Wie meine Austauschpartnerin es schön formulierte: ziemlich einzigartige Sache. Aber das war das erste und letzte Mal, dass ich es gemacht habe.

Unser Wochenende war gekennzeichnet durch Shoppen in naheliegenden Städten, Partys bei Freunden und die wichtigste Frage überhaupt, nämlich ob David und Margot in der Serie un cuento perfecto zusammenkommen werden. Am nächsten Montag fand eine Abschiedsveranstaltung im Energie-Haus statt, bei der es weder an Essen noch an Musik gefehlt hat. In schöner Ambiance wurde getanzt, geredet

und anschließend gemeinsam geweint, da die liebgewonnenen Menschen bald in ein Flugzeug einsteigen und davon sausen sollten.

Die letzte Woche war eine der intensivsten in diesem Schuljahr, sowohl was Sprachfortschritte als auch Freundschaften angeht, sodass für uns feststand, dass wir uns unbedingt wiedersehen müssen. Jegliche Sorgen davor waren unberechtigt, denn das Wichtigste, was die eigene Gastfamilie einem anbieten muss, sind Freundlichkeit und Offenheit, mit denen man ihr ebenfalls zu begegnen hat. Anderes wird sekundär, in dem Moment, in dem man zusammen Spaß hat. Letztendlich sind die einfachsten Momente, etwa banales, aber witziges im Alltag oder das Nebeneinandersitzen und -knabbern auf der Couch, diejenigen, welche man im Nachhinein am meisten wertschätzt.

Vielen, vielen Dank an Frau Hotz und Herrn Bächi als auch an ihre spanischen und deutschen Kollegen, welche unseren diesjährigen Austausch geplant und unterstützt haben. Die unglaubliche Gelegenheit, über Grenzen zu lernen und zu leben, entspricht ganz dem Motto unserer Schule. Sich diese nicht entgehen zu lassen, kann ich jedem nur wärmstens ans Herz legen.

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